Wer war dieser außergewöhnliche Wissenschaftler Gregor Mendel?

 

Die Mendelschen Regeln – wer kennt sie nicht aus dem Biologieunterricht? Mendel, auch bekannt als Vater der Genetik, würde in diesem Jahr seinen 200. Geburtstag begehen. Obwohl man Mendel aufgrund der Anzahl seiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen als Meteorologen ansehen könnte, ist seine Studie über Pflanzenhybriden sein bedeutendstes Werk. Dieser einzigartige Beitrag wirkt noch heute in die Biologie, die Pflanzenwissenschaften und die Pflanzenforschung und bildet die Grundlage unserer systematischen Pflanzenzüchtung. Mendels Einfluss auf die Wissenschaft ist überwältigend und für die Menschheit ein Segen.

Es war keine leichte Zeit, als Gregor Mendel am 20. Juli 1822 im österreichischen Heinzendorf das Licht der Welt erblickte. Deutschland und Europa waren weit entfernt von stabilen Lebensverhältnissen. Hungersnöte und politische Unterdrückung prägten das Leben vieler Menschen. Als der britische Wissenschaftler Thomas Robert Malthus (1766-1834) mit seiner Bevölkerungsfalle in düsteren Szenarien voraussagte, dass die Bevölkerung schneller wachse als die Produktion von Nahrungsmitteln, war Gregor Mendel noch ein Kind.

Mendels Kindheit

Mendels Eltern waren Kleinbauern. Die Kindheit des hochbegabten Jungen und seiner zwei Schwestern war geprägt von Arbeit und Entbehrung auf dem Hof. Schon früh half Mendel beim Veredeln der Obstbäume und entdeckte dort sein Faible für die Botanik. Mit der Unterstützung seiner Schwester konnte der einzige Sohn den ihm vorgezeichneten Weg verlassen und nach dem Besuch der Grundschule, später der piaristischen Schule in Lipník nad Bečvou und schließlich des Gymnasiums in Opava ein Philosophiestudium (1840–1843) an der Universität Olmütz beginnen. Trotz sehr guter Leistungen musste er wegen „bitterer Nahrungssorgen“ abbrechen. In seinen in der dritten Person verfassten Aufzeichnungen schreibt er: Danach habe er sich gezwungen gesehen, in „einen Stand zu treten, der ihn von den bitteren Nahrungssorgen befreite, seine Verhältnisse entschieden seine Standeswahl.“

Der Weg ins Kloster und nach Wien

Im Alter von 21 Jahren schloss Mendel sich also dem Augustinerorden des Klosters St. Martin in Altbrünn an und studierte von 1844 bis 1848 Theologie. Im Kloster fand er beste Voraussetzungen. Der mährische Ort war im 18. Jahrhundert zu Reichtum gelangt, da auf Geheiß der Kaiserin Maria Theresia in Brünn, „Österreichs Manchester“, Kleidung für die Soldaten hergestellt wurde und die Industriellen vorausschauend in die Forschung investierten, um den Ertrag auf ihren landwirtschaftlichen Gütern zu erhöhen. Regelmäßig wurden die Forschungsergebnisse durch die „Mährisch-Schlesische Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde“ veröffentlicht. Ein wichtiges Mitglied dieser Gesellschaft war Franz Napp (1792-1867, Ordensname Cyrill), der als Abt des Altbrünner Stifts den hochbegabten Johann Mendel 1843 als Novizen ins Kloster holte.

Im Kloster bestand Mendel eine Reihe von Prüfungen etwa im Obst- und Gartenbau. Da Mendel für den Seelsorgedienst zu zart besaitet schien, wurde er für den Schuldienst am Gymnasium in Znojmo freigestellt. Mendel nahm dies dankend an, denn nun hatte er Zeit für seine Leidenschaft – die Pflanzen. Fast schicksalhaft scheiterten 1850 seine Bemühungen zur staatlichen Lehrbefähigung für Biologie und Physik – vermutlich an fehlendem Wissen über Naturgeschichte. Stattdessen wurde er zum Studium an der Universität in Wien (1851-1853) empfohlen und belegte Kurse bei dem berühmten Physiker Christian Doppler und dem renommierten Mathematiker Andreas von Ettingshausen. Mendel brachte also aus Wien nicht nur fundamentale Kenntnisse in Mathematik und Physik mit, sondern erwarb dort auch grundlegendes Wissen für die Planung und Durchführung physikalischer Experimente, die er später bei seinen Erbsenversuchen zugrunde legte.

Nach seiner Rückkehr aus Wien scheiterte Mendel 1855 erneut an der Lehramtsprüfung. Er wurde Aushilfslehrer am deutschen Gymnasium in Brünn und begann schließlich mit den Experimenten zur Beantwortung der ihn seit Langem beschäftigenden Frage der Hybridisierung. Der Titel der berühmten Versuchsreihe „Versuche über Pflanzen-Hybriden“ (Mendel 1866) macht deutlich, dass es ihm nicht, wie heute oft angenommen, um die Vererbung selbst ging. Im Allgemeinen konzentrierten sich diese Forschungen hauptsächlich auf die Variation oder Stabilität und Erkenntnisse zur Übertragung von Pflanzenmerkmalen zwischen Generationen.

Mendel war der Zeit voraus: Mit Erbsen in den wissenschaftlichen Disput

Mendel schloss sich früh der Auffassung an, dass die erblichen Elemente einer Art konstant blieben und suchte nach Beweisen für diese Annahme. Damit widersprach er gängigen Sichtweisen, u. a. denen des einflussreichen Botanik-Professors Matthias Jacob Schleiden (1804-1881). Auch Charles Darwins (1809-1882) Evolutionstheorie besagte, dass sich die Arten im Lauf der Zeit veränderten. Obwohl Mendel das Darwin’sche Konzept der Transmutation von Arten unterstützte, deutet einiges darauf hin, dass er beweisen wollte, dass sich Merkmale im Lauf der Zeit nicht verändern. Das traditionelle Experimentieren mit Hybriden basierte seinerzeit auf der Zusammenstellung und Katalogisierung von Informationen. Es folgten Schlussfolgerungen aus Beobachtungen. Mendels komplett neuer Ansatz war der Newtonsche Ansatz, bei dem zunächst eine Hypothese formuliert und Experimente sorgfältig geplant wurden, um diese Hypothese zu beweisen oder zu widerlegen.

Mendel wählte die Gattung Erbsen ganz bewusst aus, da sie drei grundlegende Anforderungen an seine Versuchspflanzen (vereinfacht) erfüllte: Beständigkeit, Schutz vor Fremdpollen während der Blüte und ungestörte Fruchtbarkeit von Hybriden und Nachkommen. Mendel prüfte 34 Erbsensorten während zwei Jahren und wählte 22 für weitere Untersuchungen aus. Er prüfte insgesamt 7 Merkmale, die sich eindeutig unterschieden, wie Blüten-, Samen- und Hülsenmerkmale.

So kreuzte er zum Beispiel eine violett blühende mit einer weiß blühenden Erbse, in dem er den Blütenstaub der violetten Blüte auf die Narbe der weißen Blüte pinselte. Das Ergebnis dieser Befruchtung waren neue Erbsenpflanzen mit nur violetten Blüten; keine einzigen weißen Blüten waren sichtbar. Um herauszufinden, was mit den weißen Blüten geschehen war, kreuzte er die neu gewachsenen Pflanzen untereinander. Und plötzlich tauchten die weißen Blüten wieder auf. Die Variante war also im ersten Schritt nicht verloren, sondern nur verborgen. Er wiederholte diesen Vorgang viele Tausend Male, und immer deutlicher zeigte sich ein besonderes Zahlenverhältnis. Wieder und wieder kam Mendel zu dem gleichen Ergebnis: in der 2. Generation sahen alle gleich aus, in der 3. Generation gab es Varianten. Mendel grübelte, denn offenbar gab es da etwas, was die Information über die Merkmale in sich trug und bei einer Kreuzung an die Nachkommen weitergegeben wurde. Er nannte diese Teilchen „Elemente“ (heute Allele). Und noch etwas überlegte er: hinter den Zahlen steckte eine einheitliche Regel. Er glaubte, dass es für jedes Merkmal ein Paar geben müsse, aber nur ein Element würde von den Eltern zufällig an ihre Nachkommen weitergegeben, sodass die neue Pflanze ein Element von der Mutter und eins vom Vater und somit auch wieder zwei Elemente habe. Ein Element unterdrücke offenbar die Wirkung des anderen Elements (dominant/rezessiv).

Mendel hatte Beziehungen zwischen den Merkmalen in Qualität und Quantität charakterisiert und zur Beschreibung der biologischen Phänomene ein mathematisches Modell, das (A + 2Aa + a), hinterlegt. Dies war ein absolutes Novum in der Wissenschaft, das für Mendels Publikum ungewohnt und fremd war. Er stand allein mit dem Gedanken, dass die erblichen Elemente einer Art konstant blieben und ihre Übertragung auf nachfolgende Generationen mit diskreten mathematischen Methoden wie der Wahrscheinlichkeitsrechnung und der Kombinatorik beschrieben werden könnten. Er konfrontierte die Gesellschaft in zwei Vorlesungen im Jahr 1865, erfuhr aber keine Aufmerksamkeit. Zu revolutionär war der Ansatz. 1866 veröffentlichte er seine Erkenntnisse schriftlich. Mendel führte seine Experimente an anderen Pflanzen fort, bis er 1868 die Leitung der Abtei als Abt übernahm. An seine Erkenntnisse glaubte er weiterhin unbeirrt. „Meine Zeit wird schon noch kommen“, war er sich sicher. Und sie kam tatsächlich, allerdings erst Jahre nach seinem Tod. Am 6. Januar 1884 verstarb der Mönch und Naturforscher Mendel im Alter von 63 Jahren in Brünn. Er wurde drei Tage später auf dem Brünner Zentralfriedhof begraben. In einem Nachruf der Gesellschaft zur Förderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde 1884, Nr. 1 stand zu lesen: "Seine Experimente mit Pflanzenhybriden eröffneten eine neue Ära."

 

Eine neue Ära für die systematische Pflanzenzüchtung und die Genetik

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckten Wissenschaftler unabhängig voneinander die Mendelschen Regeln wieder. Das gab der Pflanzenzüchtung einen mächtigen Schub. Mendels Erkenntnisse waren die Basis dafür, Pflanzen mit klar definierten Zuchtzielen systematisch zu kreuzen. Ein Prioritätsstreit zwischen Hugo De Vries, Carl Correns und Erich von Tschermak im Jahr 1900 darüber, wer als Erster die Spaltungsverhältnisse entdeckt habe, rückte Mendels weitgehend vergessene Arbeit wieder ins öffentliche Bewusstsein. Der englische Biologe William Bateson (1913), der Mendels Theorie energisch verteidigte und die Begriffe „Genetik“ und „Allel“ prägte, brachte die Erkenntnisse weiter voran. Und schließlich veröffentlichte Thomas Hunt Morgan (1916) seine Erkenntnisse zur Vererbungstheorie, bei der die Chromosomen in den Zellen den Elementen Mendels entsprachen. Mendels Platz in der Geschichte der Genetik war somit manifestiert.

In der Praxis versetzte Mendels Herangehensweise größere landwirtschaftliche Betriebe in die Lage, die Erträge ihrer Kulturpflanzen durch gezielte, systematische Kreuzungen zu erfassen und zu steigern. In den Folgejahren widmeten sich immer mehr meist mittelständisch geprägte Unternehmen der professionellen Pflanzenzüchtung. Und das mit überwältigendem Erfolg: Die Erträge von Weizen und Raps konnten im Lauf des letzten Jahrhunderts annähernd vervierfacht, die von Zuckerrüben und Kartoffeln mehr als verdoppelt werden. Und während zu Beginn allen züchterischen Tuns der Ertrag im Mittelpunkt stand, fanden nach und nach auch neue Zuchtziele, allen voran qualitative Merkmale, das Interesse der Züchter. Geschmack, Inhaltsstoffe und Aussehen beschäftigen die Wissenschaftler ebenso wie die Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten. Mittlerweile erfolgt die Züchtungsarbeit nicht mehr ausschließlich in Versuchsgärten, sondern findet auch in hochtechnisierten Laboren statt. Kreuzung und Selektion sind aber immer noch Grundlagen der züchterischen Arbeit. International vernetzte Teams von Spezialisten bedienen sich mittlerweile aber auch hochkomplexer Methoden der Biotechnologie, um die Sortenentwicklung zu beschleunigen.

Mendels Regeln haben einen nicht unerheblichen Anteil daran, dass Malthus mit seinen düsteren Vorhersagen der Bevölkerungsfalle zumindest in Europa nicht Recht behalten sollte.

 

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